Gregers Nissen (1867-1942) Fahrradpionier und Tausendsassa

Der „junge“ Gregers Nissen mit seinen Vereinskameraden vom Eckernförder Radfahrverein All Heil von 1887, hält in der Bildmitte das Hochrad fest.

Von Oliver Leibbrand

Fahrradfahren, Fahrradtouren, Radwege und Reiseliteratur: Schon vor rund 120 Jahren setzte sich der nordfriesische Volksschullehrer Gregers Nisssen für die Akzeptanz des Fahrradfahrens ein

Der junge Student Gregers Nissen gehörte zu den Fahrrad-Pionieren im Norden Deutschlands. Er kaufte sich ein handgearbeitetes Hochrad aus Eisen für die damals sehr hohe Summe von 300 Mark und setzte es in Stand. Nissen zog zum Studium 1885 nach Eckernförde und gründete dort mit Gleichgesinnten den „Radfahrverein Eckernförde von 1887“.

Geboren wurde Gregers Christian Nissen, so sein vollständiger Name, am 3. Mai 1867 als Bauernsohn in dem nordfriesischen Ort Soholm. Beide Eltern starben an Tuberkulose. Der Lehrer und Organist Hans Carl Carstensen, aus dem nahegelegenen Leck, nahm den verwaisten Jungen auf und förderte ihn. Mit dem Verkauf des elterlichen Hofes wurde das Studium in Eckernförde finanziert. Nach dem Abschluss seines Studiums wurde Nissen Volksschullehrer und 1890 nach Altona versetzt. Er heiratete die Tochter seines Ziehvaters Johanna Wilhelmine Carstensen. Schon ein Jahr davor, 1889, war der erste Sohn Georg geboren worden, dem noch neun weitere Geschwister folgten.

Um seine Großfamilie zu ernähren und seinem teuren Radsport nachzugehen,     arbeitete Nissen neben seiner Tätigkeit als Lehrer auch als Organist, leitete einen   Kirchenchor und spielte Klavier in Hamburgs „gutsituierten“ Kreisen. Darüber hinaus gab er Nachhilfeunterricht und komponierte. Neben seinen Hobbys der Malerei und Fotografie schaffte er es auch noch seiner größten Leidenschaft, dem Radsport, nachzugehen.      

Seit 1891 hatte er den Vorsitz des Altonaer-Bicycle-Clubs von 1869/80 übernommen. Hier versammelte sich das Bürgertum und die Schwerpunkte lagen beim Wanderfahren, Saalsport (Kunstradfahren, Radball und Radpolo) und regelmäßigen gesellschaftlichen Zusammenkünften.

Nissen setzte sich Zeit seines Lebens besonders für den gesundheitlichen Nutzen des Radfahrens ein. Das sogenannte Radwandern und der Radtourismus lag ihm besonders am Herzen. Er hatte zahlreiche Führungspositionen in verschiedenen Verbänden inne und entwickelte als Wanderfachwart ein besonderes Engagement für den Radwegebau. So forderte er Wanderwege für Radfahrer in ganz Deutschland und Europa, Radwege in den Städten, freie Überschreitung der Grenzen und Radfahrerheime in Stadt und Land. Der renommierte Radsportjournalist, Fredy Budzinki, erinnerte sich zum 100. Geburtstag Nissens unter der Überschrift: „Der König der Wanderfahrer, Der Vater der Radwege Von Gregers Nissen haben wir`s gelernt! Gregers Nissen unvergessen“ an die Reaktion auf diese Forderung: „Man hielt ihn für einen armen Irren, aber er hielt mit der Zähigkeit des alten Friesen an diesen Plänen fest.“ Im Mai 1892 organisierte Nissen eine Huldigungsfahrt von über 100 Radfahrvereinen vom Deutschen Radfahrer-Verband (DRB) nach Friedrichsruh zu Otto von Bismarck, die großes Aufsehen erregte. Rund 2.000 Teilnehmer formierten sich am Ziel auf einer Lichtung im Sachsenwald vor dem Fürsten und seiner Frau zu einem Ehrenspalier.    Als Mitarbeiter des internationalen Touristen-Verbandes setzte sich Nissen über die Grenzen hinweg für den Radtourismus ein. Für seine Leistungen wurde er vielfach ausgezeichnet. 1912 half er die Radsportwettbewerbe bei den Olympischen Spielen in Stockholm zu organisieren. Im gleichen Jahr gründete er den „Radfahrbund von 1912“. Dort wurden auch „Jugendradfahrübungen für militärische Zwecke angeboten.“ 1922 kam Nissens umfangreiches Werk mit dem Titel „Hand- und Auskunftsbuch für Alt und Jung – Das Wanderfahren auf dem Rade“ heraus. Es behandelte zahlreiche Aspekte rund um das Fahrradfahren und -touren wie Speisen, Zelt-Lagerleben, Fahrvorschriften in anderen Ländern, Ausrüstung und Karten

Gregers Nissen, im Kreise zweier Mitstreiter bei einer seiner „berühmt, berüchtigten Alte Herrenfahrten“

Als die Radsportverbände durch die Nationalsozialisten gleichgeschaltet wurden, zog sich Nissen zunächst aus fast allen Ämtern zurück. 64-jährig wurde er von der neuen NS-Verbandsführung zum Führer der Radfahrerschaft im Gau Nordmark berufen. 1933 leitete er vom 25. Juli bis 4. August die Altherrenfahrt (die Teilnehmer sollten älter als 50 Jahre sein) durch Schleswig-Holstein. Sie war ursprünglich als Dänemark-Fahrt geplant, verblieb jedoch innerhalb deutscher Grenzen. Weiterhin engagiert meldete sich Nissen in den darauffolgenden Jahren in der Zeitschrift Der Deutsche Radfahrer zu Wort. Dort erschien am 24. Juni 1942 sein Nachruf. Zu Lebzeiten soll er gesagt haben: „Das Radfahren hat mich stark und gesund erhalten. Ich will hundert Jahre alt werden“. Gregers Nissen starb am 20. Juni 1942 in Altona.