G20ritical Mass
Es ist ein sonniger Freitag Nachmittag heute in Hamburg mit angenehmen Temperaturen, und die internationale Politik sorgt für eine außergewöhliche Lage. Der Autoverkehr ist, wo er nicht zum Erliegen kommt, extrem reduziert, auf vielen Straßen parken so wenig Autos wie seit Jahrzehnten nicht, die allgemeine Lärmpegel so gering wie an einem autofreien Sonntag 1973. Wären da nicht die Hubschrauber, die immer wieder ein terrorisierendes Knattern verbreiten.
Ich entschließe mich zu einer kleinen Spazierfahrt, um ein wenig die Lage zu erkunden, wie es aussieht in einer Stadt, in der zwanzigtausend Polizisten für Ordnung sorgen sollen und nationale und internationale Krawallmacher dies gerade nicht wollen. Was aus dem Hochsicherheitstrakt der Messehallen nach außen dringen soll, würde ich schon aus den Medien erfahren.
Im Schanzenviertel ist es extrem relaxed, keine Demonstrationen, keine
Polizei, die Menschen geniessen das leere Viertel. Dass es nicht immer
so friedlich gewesen war, zeigen die vielen Scherben auf den Straßen und
andere Spuren von Auseinandersetzungen.
Weiter in Richtung Messehallen hat die Polizei die Gegend abgeriegelt und es gibt einige Schaulustige.
Im Univiertel ist es gleichermaßen ruhig,ich setze mich zu Kaffee und
Lektüre in ein Straßencafé und beobachte, wie allmählich die Anzahl der
Radfahrer in Richtung Dammtor zunimmt, einer ist mit Trompete unterwegs
und intoniert zur allgemeinen Erheiterung tatü tata, tatü tata.
Dann folge ich der allgemeinen Flußrichtung, und am Jungfernstieg treffe
ich auf das, was nichts anderes sein kann als eine Critical Mass:
tausende gut gelaunte Radfahrer, die sich durch ein Spalier geparkter
Mannschaftswagen bewegen.
Weiter geht es über den Gänsemarkt, zum Dammtor, entlang der Bahn in
Richtung Fernsehturm, zum Schlump und über die Sternschanze ins
Schanzenviertel.
Getränkenachschub gibt es in der Nebenstraße.
Die Flaschen, die nicht zu Scherben geworden sind, werden gesammelt und gewinnbringend verwertet.
Insgesamt stockt die Fahrt jetzt, die Schanze hat sich gefüllt, es ist
eine allgemeine Unruhe zu spüren, auf den Straßen viele Menschen, die
Polizei wieder präsent. In der Nähe des Schulterblatts haben
marodierende, schwarzvermumte Randalierer die ersten Barrikaden
angezündet. Ganz junge Leute, die nicht verstehen, wenn man nachfragt,
wofür der Pflasterstein in der Hand gut sein soll, die Polizisten hätten
doch Helme auf. Alles noch nichts im Vergleich zu dem, was in der Nacht
folgen soll. Die Anwohner skandieren zum Protest Haut ab, haut ab und bewerfen sie mit Obst und schütten Wasser aus den Fenstern.
Weiter auf der Max-Brauer-Allee in Richtung Elbe finden sich dann Spuren
vom frühen Morgen, die kritische Masse habe ich verloren. Später lerne
ich im Internet, dass ich auf die Demonstration Colorful Mass getroffen war, von der sich die Macher der Critical Mass distanzieren. Hmmm.
Den Schlußkommentar liefert die lokale Organisation des Ersten
Bürgermeisters Scholz, die sich dann doch lieber nicht auf die vielen
Polizisten verlassen will.
Gunther