Die Fernfahrt Berlin-Hamburg 1889

Von Oliver Leibbrand

Der News-Blog des Altonaer Bicycle-Clubs (ABC) kündigt es bereits an: Am 11. Oktober 2014 ist es wieder so weit: Der Audax Club Schleswig-Holstein veranstaltet das “Zeitfahren Hamburg-Berlin”, das für viele Radsportler in und um Hamburg sozusagen den Saisonabschluss markiert.

Zum ersten Mal, allerdings in entgegengesetzter Richtung, wurde die Fernfahrt 1889 ausgetragen. Anlass war das dreitägige Bundesfest des Deutschen Radfahrer-Bundes (DRB) in Hamburg vom 17. bis 19. August. Zum Rahmenprogramm gehörte Kunst-Saalfahren, eine Corsofahrt, die nationalen sowie internationalen Wettkämpfe auf der Grindelbergbahn und die Fernfahrt Berlin-Hamburg über 290 km. Thomas Henry Sumpter Walker, bekannt als T.H.S.Walker, ein englischer Radrennfahrer, Radsportfunktionär und Journalist organisierte diese erste Distanzfahrt.1

Und auch vor 125 Jahren kämpften die Radsportler gegen das Wetter bzw. Unwetter auf der Strecke, ähnlich wie 2013. 1889 war es „eine Unwetterfahrt ersten Ranges und nur neun Fahrer trotzten Wind und Wetter und erreichten Hamburg in der vorgeschriebenen Zeit von 28 Stunden“. (Erich Witt, in: Ein Jahrhundert Sport in Hamburg, ca.1933, Radfahrsport). 38 Teilnehmer gingen an den Start: 19 auf Hochrädern, 11 auf sogennanten „Sicherheitszweirädern“ (also auf Fahrrädern in der Form wie wir sie heute kennen), sechs auf Dreirädern und zwei bzw. vier fuhren auf Tandem. Zu diesem Zeitpunkt war der größte Teil dieser Fahrmaschinen höchstwahrscheinlich noch nicht mit Luftreifen ausgestattet. Leider ist nicht überliefert, wer auf welchem Fahrrad oder auf welcher Marke ins Ziel gekommen ist. Zeichnete sich der Vorteil der schnellen kettengetriebenen Sicherheitsniederräder gegenüber den nicht gerade ungefährlichen Hochrädern ab? Wie lange gab es diese Fernfahrt? Es ist nicht bekannt und weitere Quellen müssen gefunden und ausgewertet werden. Überliefert ist, dass der Sieger, Johannes Pundt, eine „Glanzleistung vollbrachte“ und für die Strecke Berlin-Hamburg 22 Stunden und 53 Minuten benötigte (Vgl. Witt, ebenda). Vier Jahre später, 1893, war der Radrennfahrer Pundt, Mitinitiator des Distanzrennens Wien-Berlin, einem der bedeutensten deutschen und östereichischen Straßenrennen, was in beiden Ländern einen Radfahrboom auslöste.

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Bild: Johannes Pundt, Bildmitte, beim Start zum Hochradrennen am 6. September 1886 in Berlin. Johannes Pundt war einer der ersten deutschen Radsportler. Er fuhr sehr erfolgreich Hochrad-, Niederrad-, Dreirad- und später auch Motorradrennen. Darüber hinaus war er Mitglied im Berliner Bicycle-Club „Germania“ und wurde nach seiner Karriere als Radsportler kaufmännischer Direktor bei den Brennabor-Werken in Berlin. Vgl.: Wolfgang Gronen/Walter Lemke: Geschichte des Fahrrads und des Radsports, Eupen 1978, S. 77; Johannes Pundt auf cycling4fans.de: http://www.cycling4fans.de/index.php?id=2270 und http://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Pundt.

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Bild: Johannes Pundt, hier versehentlich als Johann, im Trikot seines Vereins. http://www.cycling4fans.de/index.php?id=2270

Heutzutage sind wir auf unseren hochgetrimmten Fahrrädern und asphaltierten Straßen wesentlich schneller zwischen Hamburg und Berlin unterwegs, als vor 125 Jahren. Schon jetzt wünscht der ABC allen Teilnehmern auf dieser Strecke für 2014 alles Gute und viel Sonnenschein. Wir sehen uns!

Bargum, den 9. August 2014

1 T.H.S.Walker gilt als Wegbereiter für den deutschen Radsport, verteidigte den Amateurstatus, gab seit 1881 die erste deutsche Radsportzeitschrift „Das Velociped“ heraus, gründete den Berliner Bicycle-Club und einen Verein für Velociped Wettfahrten, der in Berlin die erste Radrennbahn baute und unterhielt. Als Publizist und Autor setzte er sich auch für die Rechte der Radfahrer im Verkehr ein und unterstützte Vereins- und Verbandsgründungen. 1884 wurde seine Zeitschrift unter dem Titel „Der Radfahrer“ zum offiziellen Organ des DRB.