Die Philosophie des Radfahrens (2013)

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Jesús Ilundáin-Agurruza/Michael W. Austin/Peter Reichenbach (Hrsg.), Die Philosophie des Radfahrens, o.O. [Hamburg]: mairisch Verl., 2013.

Von Lars Amenda

Der Titel „Die Philosophie des Rad Fahrens“ ist gewichtig und verspricht viel. Der radhistorische Interessierte wird vermutlich sofort an die erstmals 1900 erschienene „Philosophie des Fahrrads“ von Eduard Bertz denken. Der Titel von Bertz nach wie vor sehr lesenswerten Werkes wird allerdings kein einziges Mal in den neueren philosophischen Betrachtungen erwähnt, wie ich mit Verwunderung feststellen musste. Es handelt sich vielmehr um einen bunten Strauß philosophischer und zumeist sehr persönlicher Überlegungen mit Blick auf das Fahrrad, vor allem aus der Feder anglo-amerikanischer Philosophinnen und Philosophen. Der deutsche Titel ist deshalb auch etwas irreführend und recht marktschreierisch; der englische Titel „Cycling – Philosophy for Everyone: A Philosophical Tour de Force“ passt deutlich besser zu meinen Leseeindrücken.

Die fünfzehn Beiträge behandeln verschiedene Aspekte wie Erfahrungen einer Radtour (ohne dafür hinreichend trainiert zu sein), das Fahrrad als letzte „humane Technik“, Rad fahren in Island (ein gelungener Artikel von Robert H. Haraldsson), das kindliche Erlernen des Fahrradfahrens und eine geschlechtsspezifische Perspektive auf das Thema. Die Critical Mass darf natürlich auch nicht fehlen, es gibt einen kleinen Happen über Kopenhagen als Fahrradhochburg, die Erfahrung und Herausforderung von Radrennen, Doping, die Tour die France und Eddy Merckx. Eine sinnvolle Gliederung der sehr unterschiedlichen Beiträge gibt es nicht, auch eine längere einführende und einordnende Einleitung oder ein synthetisierendes Nachwort sucht man leider vergebens. So hat das Buch und die Auswahl der Artikel – nicht zuletzt durch die Ergänzungen für die deutsche Ausgabe – einen zusammengewürfelten, willkürlichen Charakter und kann mich angesichts des hochtrabenden Titels nicht überzeugen. Mir fehlen auch einige wichtige thematische Felder wie Radreisen, Langstreckenfahren, Bahnfahren, Fahrräder als neues Statussymbol, der Reiz der Jedermann-Rennen, Fahrräder und Mode und einiges mehr. Aber das ist auch der Fluch und Segen von Sammelbänden zugleich, dass sie oftmals sehr unterschiedliche Beiträge zwischen zwei Buchdeckeln vereinen müssen, die bis auf übergeordnetes Thema – in diesem Fall das Fahrrad – nicht sehr viel gemein haben. Das mag aber auch mit persönlichen Vorlieben zu tun haben. Ich habe das – zumindest sehr geschmackvoll gestaltete Buch – jedenfalls nach der Lektüre entäuscht zur Seite gelegt.  Aber es gibt ja noch die „Philosophie des Fahrrads“ von Eduard Bertz … 

Hamburg, den 9. September 2014