Der Radrennfahrer Albert Richter: „Der vergessene Weltmeister“


Albert Richter 1912-1940

Von Renate Franz

Albert Richter stammt aus dem Kölner Arbeiterviertel Ehrenfeld.  Als Richter 1912 geboren wurde, gehörte Ehrenfeld erst seit 24 Jahren zu Köln. In diesem westlichen Stadtteil hatten sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Unternehmen angesiedelt, darunter so bekannte wie Villeroy und Boch sowie 4711, aber auch kleinere Betriebe wie der, in dem der Vater von Albert Richter, Johann, als Gipsmodelleur arbeitete, einem heute in Deutschland ausgestorbenen Beruf .

Ein weiteres großes Unternehmen in Ehrenfeld waren die 1882 gegründeten Helios-Werke. Nach mehreren Pleiten wurde deren Motorenhalle in eine Veranstaltungshalle mit Radrennbahn umgebaut und „Rheinlandhalle“ getauft.  Dort fanden zahlreiche Veranstaltungen statt, darunter die seit 1928 in Köln stattfindenden Sechstage-Rennen. Dort befindet sich heute auch eine Tafel zur Erinnerung an Richter.

Die Radrennbahn in der Rheinlandhalle wurde von Clemens Schürmann erbaut, dessen Sohn und Enkel wiederum später die Radrennbahn in Köln-Müngersdorf planten, die heute den Namen von Albert Richter trägt. Schürmann baute auch die Radrennbahn in Rom, auf der Richter 1932 Weltmeister wurde.

Albert Richter wohnte nur wenige Minuten von der Rheinlandhalle entfernt. Er nahm als Jugendlicher die Möglichkeit wahr, dort zu trainieren und an den dortigen Amateurrennen teilzunehmen. Viele junge Kölner wollten damals Radrennfahrer werden; ihr großes Vorbild war der Kölner Mathias Engel, der 1927 in der Heimatstadt Weltmeister geworden war. Dort in der Rheinlandhalle erntete Richter auch seine ersten Lorbeeren als Rennfahrer. Im November 1931, Richter war 19 Jahre alt, ging er erstmals nach einem solchen Renntag als Sieger nach Hause.

Schon ein Jahr später wurde Albert Richter überraschend in Rom Weltmeister der Amateur-Sprinter, wenig später wurde er Profi. Als solcher war er das ganze Jahr lang auf Reisen, lebte oft wochen- oder monatelang in Paris, dem Mekka der Sprinter. Sein erstes Rennen als Profi bestritt Richter aber in der Kölner Rheinlandhalle, und zwar am 14. Oktober 1932, seinem 20. Geburtstag. Die Rheinlandhalle war nicht nur ausverkauft, sondern musste wegen des großen Andrangs von der Polizei abgesperrt werden. Es gelang ihm als Profi zwar nie, Weltmeister zu werden, er wurde aber zweimal Vize-Weltmeister, mehrfach Dritter, war von 1933 bis 1939 ununterbrochen Deutscher Meister und siegte 3mal beim „Grand Prix de Paris“, einem renommierten Klassiker für Sprinter.

Obwohl Richter nach seinem Übertritt zum Profitum viel reisen musste, hing er sehr an seinen Eltern sowie an seiner Heimatstadt und mietete sich daher eine eigene Wohnung in der Sömmeringstraße 72, seinem Elternhaus. Doch die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 sowie die Folgen schreckten Richter von längeren Aufenthalten in Köln ab. Diese Tendenz verstärkte sich mit den Jahren, als er hörte, was in Köln passsierte: Dass etwa der Betrieb, in dem sein Vater und er selbst gearbeitet hatten, von Männern in braunen Hemden überfallen wurde und die jüdischen Besitzer ins Ausland fliehen; und dass sein Bruder, der einen Lebensmittel-Laden betrieb, Schwierigkeiten bekam, weil er weiterhin Juden bediente.

Seitdem Albert Richter Profi geworden war, hatte er zudem einen jüdischen Manager, einen Kölner namens Ernst Berliner.  Die beiden Männer verband ein enges Vater-Sohn-Verhältnis. Obwohl es schon recht bald nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zum Ausschluss von jüdischen Mitbürgern aus dem Profi-Sportbetrieb kam, ließ Richter sich nicht beirren und weiter von Berliner managen. Berliner war es, der den jungen Radsportler nach Paris schickte, um sich dort den letzten Schliff zu holen.

Der junge Kölner aus einfachen Verhältnissen freundete sich dort schnell mit anderen Fahrern an, seine besten Freunde waren der belgische Weltmeister Jef Scherens sowie der französische Fahrer Louis Gérardin. Die drei reisten viel gemeinsam zu Rennen und erhielten den Spitznamen „Die drei Musketiere“.  Richter war auch bei den Zuschauern im Ausland ungewöhnlich beliebt, er war ein „Europäer“. Es ist belegt, dass Richter zudem im Ausland nicht das offizielle Hakenkreuztrikot, sondern vorzugsweise eins mit dem Reichsadler trug. Ausländischen Freunden gegenüber bezeichnete er die Nazis als „Verbrecherbande“. Und nicht nur bei der Siegerehrung zur Deutschen Meisterschaft 1934 in Hannover verweigerte Richter den „Deutschen Gruß“, anders als alle, die ihn umstanden. Für Unmut bei den deutschen Machthabern sorgte z.B. auch, dass er in Paris einen farbigen Betreuer hatte und sich mit diesem auch ablichten ließ.

1937 emigrierte Ernst Berliner mit seiner Familie 1937 in die Niederlande, Richter ließ sich aber auch weiterhin von ihm im Ausland managen. Da die Beiden sich auch gemeinsam auf dortigen Rennbahnen sehen ließen, kann dies den deutschen Behörden nicht verborgen geblieben sein.  Auf jeden Fall wussten die deutschen Sportfunktionäre, dass Albert Richter ihre Weltanschauung nicht teilte und daraus auch keinen Hehl machte, besonders nicht im Ausland.

Am 1. September 1939 überfiel die deutsche Wehrmacht Polen. Zu dieser Zeit befanden sich die besten Rennfahrer, unter ihnen auch Richter, in Mailand, da dort die Weltmeisterschaften stattfanden. Diese Weltmeisterschaften wurden mitten im Finale unterbrochen, so dass der Weltmeister nicht mehr ermittelt wurde. Richter war ein weiteres Mal Dritter geworden. Nach Zeugenaussagen reagierte er „verzweifelt“ auf die Nachricht vom Kriegsausbruch und beteuerte, er könne nicht auf Menschen schießen, „die ich liebe, die mich lieben und denen ich soviel zu verdanken habe“.

Ein französischer Journalist berichtete später von seiner letzten Begegnung mit Richter, bevor dieser aus Mailand abreiste. Richter sagte: „Bald, sehr bald sehen wir uns wieder. Dann werden wir frei sein. Aber in den schlimmsten Momenten, die wir durchmachen werden, vergeßt nie, daß ihr da drüben einen Freund habt.“

Noch einmal startete Richter in Deutschland, in Berlin, und gewann dort den „Großen Preis“.  Während dieses Aufenthalts in Berlin entstand auch eines der letzten Fotos von Richter, das makabrerweise erst nach seinem Tod im „Deutschen Radfahrer“ erschien. Von dort aus fuhr er zum letzten Mal nach Köln. Seinem Manager Berliner kündigte er brieflich an, von dort Geld für einen anderen jüdischen Freund mitzunehmen, der schon im Ausland lebte; Berliner hatte ihm zuvor dringend davon abgeraten.

Dieser letzte Besuch von Richter bei seiner Familie war zu Weihnachten. Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass Richter befürchten musste, wegen seiner weiterhin bestehenden Verbindung zu Berliner und auch wegen seines Status als berühmtem Sportler sehr bald einberufen und direkt an die Front geschickt zu werden, hatte doch Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten die Losung ausgegeben: „Meine besten Sportler sollen auch des Führers beste Soldaten sein.“ Zudem besuchten ihn, so bezeugten seine Eltern später, Angehörige der Gestapo,  die versuchten Richter zur Spionage im Ausland zu erpressen, indem sie auf seine Verbindung zu Berliner hinwiesen. Seine Mutter berichtete später, ihr Sohn habe gesagt: „Ich habe im Ausland nur Freunde, ich kann Derartiges nicht tun.“ Zuvor hatte die Gestapo schon versucht, Druck auf seine Eltern auszuüben.

Aus diesen Gründen und aus einer pazifistischen Grundhaltung heraus „ich kann auf meine Freunde nicht schießen“ – beschloss Richter in die Schweiz zu reisen und nicht zurückzukommen. Auf diese Reise nahm er das ihm anvertraute Geld für den jüdischen Freund mit. Das Geld war in die Reifen seines Rennrads eingenäht.

Am 31. Dezember 1939 wurde das Geld vom  Zoll beim Grenzübergang gefunden, Richter nach Lörrach ins Gefängnis eingeliefert, wo er am 3. Januar 1940 morgens in seiner Zelle tot aufgefunden wurde. Indizien sprechen dafür, dass er umgebracht oder zumindest in den Selbstmord getrieben wurde.

Mit Richter gemeinsam im Zug saßen zwei holländische Rennfahrer,  Cor Wals und Cees Pellenaers, auf dem Weg zum Silvester-Rennen in Zürich. Die Beiden sahen, und berichteten das auch wenig später gegenüber Journalisten, wie die Zollbeamten zielgerichtet die Reifen von Richters Rennrad aufschnitten und das Geld fanden. Richter wurde abgeführt; seine Familie in Köln am 2. Januar von der Verhaftung informiert. Sein Bruder Josef, der ja einen Lebensmittelladen betrieb, machte sich mit seinem Laster auf den Weg.

Als Josef Richter in Lörrach am Abend des 2. Januar eintraf, wurde ihm mitgeteilt, für einen Besuch bei seinem Bruder sei es zu spät, er möge am nächsten Morgen wiederkommen. Am nächsten Tag wurde er über den Tod von Albert unterrichtet. Der Gefängnisaufseher erzählte Josef Richter, Albert habe ihn gebeten, ihm für den nächsten Tag eine Beschäftigung im Gefängnis zu besorgen, da er sich langweile.

Josef Richter gelang es, die Leiche von Albert im Totenkeller des Krankenhauses zu sehen; sie sei blutig gewesen, berichtete er später. Zunächst wollten die Behörden den Leichnam nicht herausgeben, dann jedoch durfte Josef den Sarg mit Inhalt in seinem Laster mitnehmen unter der Auflage, dass der versiegelte Sarg nicht mehr geöffnet werden dürfe. Der Totengräber, der Albert Richter eingesargt hatte, sagte später aus, der Tote habe eine Einschusswunde im Genick gehabt.

In den Zeitungen erschienen die ersten Todesmeldungen ohne Angabe einer Todesursache. Der „Westdeutsche Beobachter“ veröffentlichte am 6. Januar 1940 eine im Inhalt nichtssagende Meldung mit der Überschrift „Heute rot – morgen tot!“  Und vier Tage später erschien eine Meldung im „Deutschen Radfahrer“ : „Richter hat, um es mit dürren Worten zu sagen, für einen Kölner Juden zum wiederholten Male den diesmal, Gottseidank, mißlungenen Versuch gemacht, größere Markbeträge in die Schweiz zu verschieben. Er hat sich damit außerhalb der deutschen Volksgemeinschaft und selbstverständlich genau so kraß außerhalb der Gemeinschaft des deutschen Sports gestellt. Daraus hat er die einzig mögliche Konsequenz gezogen und den Freitod gesucht. Wir alle bedauern tief, daß er, der einmal einer der Unsrigen war, auf diese Art sein Vaterland, das jetzt in den schwersten Stunden sich durchzukämpfen hat, verriet. Sein Name ist für alle Zeiten in unseren Reihen gelöscht.“

Als erstes wurde von offizieller Seite die Nachricht verbreitet, Richter sei bei einem Ski-Unfall ums Leben gekommen; diese Nachricht wurde von vielen ausländischen Zeitungen nachgedruckt. Als jedoch durch Pellenaers und Wals die Wahrheit über die Verhaftung bekannt wurde, hieß es zunächst, Richter sei auf der Flucht erschossen worden. Der Berliner Radsportjournalist Fredy Budzinski berichtete nach dem Krieg, er habe von Reichsradsportführer Victor Brack (der später wegen als Kriegsverbrecher gehängt wurde) persönlich die Anweisung erhalten, diese offizielle Nachricht ins Blatt zu setzen.

Richters Leichnam wurde nach Ehrenfeld zurückgebracht. Obwohl den Eltern verboten worden war, vor der Beerdigung die Todesanzeige zu schalten, nahmen rund 200 Menschen an der Beerdigung teil.  Das Grab befindet sich bis heute auf dem Ehrenfelder Friedhof, wo es dadurch auffällt, dass ein Foto am Grabstein befestigt ist. Dies veranlasste sein bester Freund und größter Konkurrent Jef Scherens, in dessen belgischer Heimat dies üblich ist.

1966 kam es aufgrund einer Anzeige von Ernst Berliner, der mittlerweise in den USA lebte, zu einem Ermittlungsverfahren. Berliner kam nach dem Krieg mehrfach nach Köln und versuchte zunächst, aus privater Initiative die Wahrheit herauszufinden. Dabei musste er die Erfahrung machen, dass er selbst von einigen ehemaligen Radsport-Schützlingen für Richters Tod verantwortlich gemacht wurde. Sie glaubten, es sei Berliners Geld gewesen, das Richter dabei hatte.

1966 kam der zuständige Kriminalbeamte nach ersten Ermittlungen zu dem Schluss, dass es sich beim Tod von Albert Richter um „Mord oder erzwungenen Selbstmord“ gehandelt habe und regte weitere Ermittlungen an. Trotzdem wurde das Verfahren im Jahr darauf eingestellt, nachdem wichtige Zeugen erst gar nicht befragt worden waren. Ein  Justizbeamter aus Lörrach, der zum fraglichen Zeitpunkt allerdings Soldat war, bezeugte jedoch, dass Gefangene im Lörrach recht häufig Selbstmord begangen hätten und  dass die Gestapo freien Zutritt zum Gerichtsgefängnis gehabt habe. Ein Kollege ergänzte: „Zum Teil wurden die Häftlinge … von der Gestapo in den Selbstmord getrieben. Selbstmorde waren eigentlich an der Tagesordnung… Manchmal hörte man aus den Zellen Schreie….“.

Renate Franz: „Ich bin überzeugt, dass Albert Richter keinen Selbstmord begangen hat, sondern durch die Hand der Gestapo zu Tode kam und dann der Selbstmord vorgetäuscht wurde, obwohl die letzten Beweise dafür fehlen. Ich bin davon überzeugt, dass Richter trotz Folter stark geblieben ist und dass den Unmut der Gestapo-Leute hervorgerufen hat. Für meine Überzeugung sprechen aber nur Indizien sowie die Persönlichkeit Richters. Als Rennfahrer war er für seine Ruhe und seine starken Nerven bekannt. Außerdem stürzte er während seiner Karriere als Radsportler viele Male, trug schwere und schmerzhafte Verletzungen davon und saß oft genug bald wieder auf dem Rad.  Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mann mit einer solch starken Persönlichkeit, sollte denn die Gestapo in seine Zelle gekommen sein und ihn gequält haben, wenige Stunden danach Selbstmord begangen haben soll.“

Bis heute bleibt zudem die Frage offen, ob Richter damals verraten wurde. Denn laut Wals und Pellenaers durchsuchten die Zollbeamten damals zielgerichtet die Reifen seines Rades und schnitten diese auf, während das Gepäck von Wals und Pellenaers sowie andere Reisender kaum durchsucht wurde.

Nach den Recherchen des Filmemachers Raimund Weber liegt es nahe, dass dieser Verräter Richters Freund und Radsport-Kollege Peter Steffes gewesen sein könnte. Trude Steffes betont in Webers Film „Auf den Spuren von Albert Richter, Radrennfahrer“: „Da war kein Grund sich das Leben zu nehmen. Aber er hat halt die Nerven verloren. Wir haben damals gehört, daß er freigekommen wäre.“ Auf die Frage nach einem Verrat antwortete Steffes, der im Übrigen murmelnd von Berliner als „dreckelige Jüd“ spricht: „Das ist Quatsch.“

Johann Richter, der Vater, bemühte sich jahrelang um eine finanzielle Wiedergutmachung durch den Staat sowie um die Gelder, die Richter auf Anraten Berliners im Ausland angelegt hatte. Bei den Konten war er mit Hilfe von Berliner teilweise erfolgreich, eine Wiedergutmachung oder auch nur eine Rehabilitierung durch den bundesdeutschen Staat erfolgte nicht. Die beiden Brüder von Albert waren im Krieg gefallen, zudem verunglückte 1940 ein Enkel tödlich, so das die Eltern Richter in fünf Jahren vier Jungen der Familie verloren.

Die Erinnerung an Richter verblasste bald in Köln sowie in Deutschland. In den 1940er und 19 50er Jahren gab es noch ein paar Rennen zu seinem Gedächtnis, allerdings wurden dabei niemals die Umstände seines Todes kritisch beleuchtet. Vorzugsweise beharrte man auf der Selbstmord-Version oder auf dramatische Formeln wie „mußte uns zu früh verlassen“, oder gar „sein Stern ist jäh erloschen“. Eine der Nichten berichtete, dass ihr auf einem Familienfest vorgeworfen worden sei, ihr Onkel sei ein „Feigling“ gewesen.

Im Bund Deutscher Radfahrer waren dieselben Kräfte am Werk wie vor 1945: So war ein ehemaliger Gestapo-Mitarbeiter, der Transporte von Juden nach Theresienstadt begleitet hatte, federführend im Bezirk Köln. Mehrere Präsidenten des BDR nach 1945 hatten schon zur Nazi-Zeit maßgebliche Posten im Radsport besetzt. Und einige der Nachkriegs-Radsport-Stars waren Mitglieder der NSDAP gewesen, so etwa Gustav Kilian, Walter Rütt, aber auch Walter Lohmann. Da war der Elan zur Aufklärung verständlicherweise begrenzt.

1960 gab es in Köln eine Initiative, die neuen Wege im Bereich des Müngersdorfer Stadions nach Kölner Sportlern zu benennen; die FDP schlug eine Reihe Namen vor, darunter Albert Richter, der aber nicht berücksichtigt wurde.

Anders übrigens in der DDR: In Halle an der Saale gab es eine „Albert-Richter-Kampfbahn“, ebenso in Schwerin, auch eine Betriebssportgemeinschaft wurde in Halle nach ihm benannt. In Zeesen, einem kleinen Ort südlich von Berlin, gab es ein „Albert-Richter-Kinderheim“, das sich in einer ehemaligen Villa von Gustav Gründgens befand. Und in der DDR wurden auch mehrere Bücher über Richters Schicksal publiziert, darunter ein Kinder- sowie ein Jugendbuch. Zudem erschien 1965 eine Sonderbriefmarke mit Richters Porträt, wenn es auch nicht sehr ähnlich ist. Bezüglich der „Kampfbahn“ in Schwerin, gibt es noch eine Anekdote: Im Zuge der Wiedervereinigung gab es Bestrebungen, diesen Sportplatz umzubenennen. Renate Franz schrieb daher der Sportverwaltung, dass man in Köln gerade dabei sein, eine Radrennbahn nach Richter zu benennen, deshalb ließ man davon ab. Leider existiert dieser Sportplatz heute nicht mehr.

So dauerte es 25 Jahre, bis Albert Richter und sein Schicksal in den Blick der Öffentlichkeit gelangen.  Der Erste, der an Albert Richter erinnerte, war ein Filmemacher und Drehbuchautor aus Hamburg, Raimund Weber. Von einem holländischen Onkel erfuhr er, dass dieser Albert Richter 1940 unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen sei. Weber begab sich daraufhin an die Recherche und holte bis dahin unbekannte Fakten ans Licht. Sein Film „Auf den Spuren von Albert Richter – Radrennfahrer“ wurde 1990 in der ARD ausgestrahlt. Dabei stellte Weber die – allerdings letztlich unbewiesene – Behauptung, auf, Richter, der für einen befreundeten Juden Devisen in die Schweiz bringen wollte, sei von einem Freund denunziert und schließlich von der Gestapo in Lörrach liquidiert worden.

Der Film führte zu Aktivitäten in Köln, wie der Initiative zur Benennung der Bahn, Umwandlung des Grabes in ein Ehrengrab sowie die Herausgabe des Buches „Der vergessene Weltmeister“. An der Rheinlandhalle wurde eine Tafel zur Erinnerung an Richter angebracht.

Mehrere Jahre lang trug Nachwuchs-Sprinter-Cup des Bundes Deutscher Radfahrer Albert Richters Namen. Es folgten zwei weitere Filme, 2005 ein längerer Dokumentar-Film auf Arte, im Jahr danach ein kleiner Bericht im holländischen Fernsehen. Eine ganz besondere posthume Ehrung für Albert Richter war seine Aufnahme am 6. Mai 2008 in die „Hall of Fame des deutschen Sports“ als einen von zunächst 40 Sportlern. Studenten der Deutschen Sporthochschule in Köln initiierten zudem die Verlegung eines Stolpersteins vor Richters Elternhaus in Ehrenfeld.

Köln, den 20. April 2015

Buch: Renate Franz: Der vergessene Weltmeister. Das rätselhafte Schicksal des Radrennfahrers Albert Richter. Verlag Covadonga, Bielfeld 2007.